Der Schwarzenberger Türmer

Das Amt des Türmers der Stadt Schwarzenberg hat nie einen so großen Stellenwert eingenommen, wie z. Bsp. das seines Amtsbruders im alten St. Annaberg, St. Marienberg oder Schneeberg.
Der Grund bestand darin, daß die alte St. Georgenkirche am heutigen Unteren Markt keinen dafür geeigneten Turm besaß. Auch war ihr Standort für einen Ausblick auf das Städtchen sehr ungünstig.
Die Zeichnung Wilhelm Dillichs, aus dem Jahre 1627 zeigt das alte Gotteshaus mit einem Dachreiter. Dieser war als Ersatz für den ursprünglichen Glockenturm erbaut worden, wie er auf der Öder - Karte noch zu erkennen ist.
Zwar ist die kleine Erzgebirgsstadt Verwaltungsmittelpunkt der Herrschaft gewesen, trotzdem galt sie eher als arm und bescheiden.
Auf der Burg saß bis 1533 das Adelsgeschlecht derer von Tettau, das sein Herrschaftsgebiet in jenem Jahr nach Sachsen verkaufte. Die Tettaus sind böhmische Vasallen gewesen.
Es war naheliegend den Türmerdienst von den ohnehin vorhandenen Wächtern der Burg mit versehen zu lassen.
Vom Bergfried aus hatte man einen idealen Überblick über Stadt und Umgebung.
Für die einzelnen Gassen des Städtchens wurden reihum die Bürger verpflichtet Nachtwache, und in Gefahrenzeiten Brandwache zu halten.
Der Kurfürst hatte nach dem großen Stadtbrand im Jahr 1535 darauf gedrungen, dass " ... die Nachtwache des Feuers halber zu halten" nötig sei.
Diese Maßnahme jedoch bewährte sich nicht und so beschloss der Rat ab 1571 die Pflicht abzuschaffen.
Den "allgemeinen Wachtdienst" ersetzte man durch die Erhebung eines Wachgeldes. Mit Hilfe dieser Einnahme wurde ein Wächter angestellt. Jeder Bürger hat das Wachgeld " ... pinktlich und in 6 Groschen alle Jahr... " zu zahlen. Das Geld trieb der Wächter selbst ein. Manche Bürger zahlten in kurzen Abständen ihre Raten, andere zahlten monatlich.
Ab 1596 erscheint in den Stadtakten der Wächter als Stadtdiener. Ab dieser Zeit bekam er einen Lohn von:
"... 7 Groschen die Woch und alle Jahr ein Paar Schuh, so er desto fleißiger wachen soll ..." / " ...daß er sich in der Kälte besser aufhalten kann."
Hin und wieder gab es Probleme mit der Bürgerschaft, denn man hörte das Horn nicht regelmäßig aller 2 Stunden blasen. Dadurch wurde vermutet, der Wächter sei nicht auf seinem Posten oder gar eingeschlafen.
Es hat in der Stadt verschiedene "Haltestellen" gegeben, an denen geblasen werden musste.
Dieses Signal bestätigte den Bürgern, dass der Wächter tatsächlich seine Runde zog und gab ihnen Sicherheit.
Mitunter war er bereit, gegen ein besonderes Trinkgeld auch die Stunde auszurufen.

In den Jahren von 1690 bis 1699 wurde die neue St. Georgenkirche neben dem Schloss, errichtet. Auf einem Teil des heutigen Kirchenstandortes hatte bis zum Stadtbrand 1649 die Unterburg gestanden. Sie war durch das Feuer erheblich zerstört. Zunächst wurde bis 1684 das "... notdürftig geflickete Ambtshauß ..." zum Pferdestall umfunktioniert. Später aber abgrissen, um Freiheit für den Kirchenbau zu schaffen.
Den Grund für den Bau eines neuen Gotteshauses sah man darin, die Kirche aus dem oft vom Feuer bedrohten Stadtkern herauszunehmen.
Nach der 1699 erfolgten Weihe der neuen, war die alte Kirche unbenutzt und diente lediglich als Leichenhalle.
Im August 1709 brannte erneut die Stadt ab. Dabei fiel auch das "... alte Kirchlein ..." den Flammen mit zum Opfer, während bei dem neuen Bauwerk nur im Turmbereich der Rote Hahn gewütet hatte. Der Turm brannte aus und die Glocken waren geschmolzen.
Die verheerenden Stadtbrände, durch die Fachwerkhäuser mit ihren Holzschindeldächern begünstigt, gaben den Anlass im Jahr 1709 über weitere Maßnahmen der Brandverhütung nachzudenken.
Zunächst wurden die Häuser auf dem Felssporn, der die Altstadt trägt, nach diesem Brand steinern aufgeführt.
Außerdem verpflichtete man den Küster des Gotteshauses, Johann Reinhold, in Gefahrenzeiten den Türmerdienst zu versehen.
Das heißt, er verbrachte Nächte in "trockenen, heißen Zeiten" auf dem Turm. Auch wenn andere Gefahren drohten hatte er den Dienst zu versehen.
Für diese Zwecke richtete man in der Etage unter der Glockenstube die "Türmerstube" ein, die dem Küster ein vorübergehendes zu Hause bot. Es wurde auch eine Türmertoilette eingebaut.
Das Küsteramt blieb seit 1682 in Schwarzenberg über Generationen in einer Familie. Es hatte verschiedene Bezeichnungen z. Bsp. Frühmesner, Kirchvater, Sakristan und Kirchner.
Bis zum Jahr 1923 war die Türmerstube noch in der alten Weise eingerichtet.
Im Jahr 1948 erhielt die Kirchgemeinde ihre alte große Bronzeglocke vom Glockenfriedhof Hamburg zurück. Sie war zur " Sicherung der Metallreserve für Rüstungszwecke" beschlagnahmt worden und hatte glücklicherweise den Krieg unbeschadet überstanden.
Da in der Glockenstube, ihrem einstigen Platz, im Jahr 1947 ein neues Eisenhartgussgeläut seinen Platz gefunden hatte, gestaltete man die alte Türmerstube zur Glockenstube um.
Bei dieser Maßnahme erweiterte man die Fensteröffnungen der Stube zu Türen und setzte einen hölzernen Glockenstuhl in den Raum.
Bei der Verlegung elektrischer Kabel in den Turmbereich war 1967 der Fallschacht der ursprünglichen Türmertoilette von großer Bedeutung. Die Verlegung durch diesen Schacht war eine enorme Erleichterung bei den Arbeiten, da als Alternative die Unterputz - Verlegung im Granitmauerwerk zur Debatte gestanden hatte.


ehemalige Türmertoilette

Ehemalige Trocken-Toilette für den Glöckner im Turm von St. Georgen


Nachdem 1968 die große Bronzeglocke nach Langebrück verkauft worden war, wurde die Stube nicht wieder genutzt. Allerdings konnten bei der Baumaßnahme 1992/93 die Schalltüren entfernt, und die Maueröffnungen rückgebaut werden. Der Raum erhielt Schiebefenster in der ursprünglichen Art.
Somit zeugt er heute wieder von seinen ursprünglichen Aufgaben.

Vielerorts ist es seit langem ein selbstverständlicher Brauch, Touristen und Gäste in historischen Trachten durch die historischen Stätten zu führen.
So werden Touristen z. Bsp. in Zwönitz vom Nachtwächter, in anderen Orten von Stadtwachen oder Türmern, und in verschiedenen erzgebirgischen Orten von Bergmännern geführt.
In Schwarzenberg führt der "Schwarzenberger Türmer" Gerd Schlesinger die interessierten Gäste in seiner Türmertracht durch die Stadt. Besonders bei Kindergruppen besteht großes Interesse auch von den Aufgaben eines Türmers früherer Jahrhunderte zu hören.
Möge diese wieder neu ins Leben gerufene Tradition, die es einst in vielen Städten gegeben hat, den Touristen, Gästen und Einheimischen Freude bereiten und ihnen die wechselvolle Geschichte unserer Erzgebirgsstadt lebendig näher bringen.
Übrigens hat es vor dem 2. Weltkrieg die Sonntagsbeilage zum "Schwarzenberger Tageblatt" gegeben, die den Namen "Der Schwarzenberger Türmer" trug.


     Gerd Schlesinger
Schwarzenberger Türmer






Persönliche Daten:

Gerd Schlesinger geb. 12.09.1960   in Steinheidel - Etrlabrunn Kreis Schwarzenberg

Verheiratet seit 1990 mit Ulrike geb. Körner 3 Kinder geb. 1990 Toni / 1992 Anne / 2003 Marie


Als Kind Glockenjunge und Kirchenhilfe des Großonkels, der als Kirchenoberinspektor und Glöckner an St. Georgen tätig war. Kirchen - und Stadtführungen seit 1975.
Nach einer Lehre in der Landwirtschaft erfolgte die Kirchliche Ausbildung in der Landeskirche Mecklenburgs und der Dienst in der Kirchlichen Verkündigung im Kurort Krakow am See / Kreis Güstrow. (Kantorkatechet)
1986 Rückzug nach Schwarzenberg und Übernahme der frei gewordenen Küsterstelle an St. Georgen zu Schwarzenberg. Das Amt war seit 1682 in der Familie. (3 Unterbrechungen im 19. bzw. 20. Jh. durch frühen Tod bzw. Krankheit und Krieg)
Von 1988 bis 1999 zugleich Glockenfachberater für die Kirchenkreise Aue - Schwarzenberg und Werdau.
1992 Dienstunfall und damit verbundene spätere Erwerbsunfähigkeit. Weiterhin Teilnahme an den Glockenseminaren des Beratungsausschusses für das Dt. Glockenwesen (2 x jährlich an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik Regensburg).
1996 Aufbau eines Selbstverlages "Totenstein - Verlag " spätere Umbenennung in:
"Türmer -Verlag - Schwarzenberg" und als Autor verschiedener Bücher und Schriften tätig.
Weiterhin Stadt- und Kirchenführer als " Schwarzenberger Türmer".
Seit 1999 Stadtrat in Schwarzenberg und Vorsitzender des städtischen "Ausschusses für Kultur, Sport und Soziales".
Private Glockensammlung - derzeit ca. 250 Exemplare (dabei hat die Kleinste einen Durchmesser von 5 mm und die Größte weist ein Gewicht von 500 Kg auf).
Sowie Sammlung von Unterlagen des Glocken- Küster- und Türmerwesens. (Geplante Dauerausstellung).
Vorträge in Hotels, Schulen, Heimen etc. über zahlreiche Themen (siehe Programm "Vorträge")